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Endoprothetik GmbH

02.12.2011, Berlin
Christian Schmidt

Einfluss des Rotationszentrums auf die biomechanischen Eigenschaften der verbliebenen Rotatorenmanschette und die Degeneration des Musculus Deltoideus nach inverser Schulter Totalendoprothese

Charité-Universitätsmedizin, Berlin
Autor: Christian Schmidt

Hintergrund:

Die inverse Schultertotalendoprothese (TEP) führt bei Patienten mit Defekt bzw. Cuffteararthropathie kurz-und mittelfristig zu guten bis sehr guten funktionellen Resultaten sowie zu einer signifikanten Schmerzreduktion. Problematisch ist allerdings die langfristige Funktionsverschlechterung. Die Patienten gewinnen durch die Implantation an Abduktions-und Flexionsfähigkeit. Die Außen-und Innenrotation hingegen bleiben häufig unverändert oder nehmen sogar ab. Die Implantat bedingte Medialisierung des Rotationszentrums könnte eine Erklärung dafür sein, da dies wahrscheinlich zu einer deutlichen Veränderung der biomechanischen Eigenschaften der verbliebenen Rotatorenmanschette und aufgrund der ständigen Beanspruchung und veränderten Vorspannung zu einer Degeneration des Musculus deltoideus führt.

In einer Vorstudie konnten signifikant kleinere Hebelarme für den M.Teres minor (TMI) und den Musculus Subscapularis (SSC), sowie eine geringere Muskellänge im Sinne einer verringerten Vorspannung dieser Muskeln gezeigt werden. Eine Lateralisierung des Rotationszentrums bei inverser Schulter-TEP, wie sie klinisch bereits zur Verhinderung des inferioren „Scapular-Notching“ angewendet wird, könnte auch einen positiven Einfluss auf die biomechanischen Eigenschaften der verblieben Rotatorenmanschette und die Degeneration des Musculus deltoideus haben. Dadurch könnte außerdem die klinische Funktion und dabei vor allem die eingeschränkte Außenrotationsfähigkeit verbessert werden.

Fragestellung:

Das Ziel dieser Studie war es an einem Kadaver-Modell zu evaluieren, ob die Lateralisierung des Rotationszentrums bei inverser Schulter-TEP dazu in der Lage ist die Hebelarme des TMI und SSC wie auch die Muskellänge dieser beiden Muskeln zu erhalten. Im Rahmen einer prospektiven, randomisierten, offenen klinischen Studie soll darüberhinaus gezeigt werden, dass das Konzept der Lateralisierung des Drehzentrums bei inverser Schulter-TEP der herkömmlichen inversen Schulter-TEP nicht unterlegen ist und es zu einer verbesserten Rotationsbewegung kommt. Auch bei dieser prospektiven Erhebung sollen die Muskelhebelarme anhand von 3D-Modellen, die aus den CT-Daten von Patienten vor, beziehungsweise nach lateralisierter inverser Schulter-Totalendoprothese gewonnen wurden, berechnet werden. Dabei ist eine Erhaltung der biomechanischen Eigenschaften der verbliebenen Rotatorenmanschette im Sinne einer Erhaltung der funktionsspezifischen Muskelhebelarme und der Muskellänge des TMI und SSC zu erwarten.

Material und Methoden:

Zur biomechanischen Evaluation der verbliebenen Rotatorenmanschette nach lateralisierter inverser Schulter-TEP wurden zunächst in sieben Kadaverpräparaten (Durchschnittsalter 74j, 61-83) Polycarbonat Prothesenmodelle einer inversen Schulter-TEP implantiert und das Drehzentrum der Prothese mittels eines 8mm hohen Blocks lateralisiert. Die Muskelhebelarme und die Muskellänge wurden anhand von rekonstruierten 3D-Modellen aus CT-Daten auf Unterschiede im Vergleich präzu postoperativ hinsichtlich der Muskelhebelarme und Muskellänge des TMI und SSC untersucht.

Im Rahmen der prospektiven, randomisierten, offenen klinischen Studie sollen insgesamt 34 Patienten eingeschlossen werden. Davon erhalten 17 Patienten eine inverse Schulter-TEP, wobei das Drehzentrum mittels eines zuvor aus dem Oberarmkopf entnommenen Knochenblocks, im Sinne des von Boileau et al vorgestellten Konzepts der Bony increased offset reversed shoulder arthroplasty (BIO-RSA), lateralisiert wurde. Diese werden mit 17 Patienten verglichen, die eine herkömmliche inverse Schulter-TEP erhalten. Dazu werden standardisierte klinische und subjektive Scores herangezogen und mittels zweier Muskelbiopsien (intra-operativ und ein Jahr post-operativ) die Degeneration des Musculus deltoideus anhand der fettigen Infiltration histologisch quantifiziert. Darüber hinaus erfolgt die biomechanische Evaluation des Einflusses der Lateralisierung des Drehzentrums auf die verbliebene Rotatorenmanschette anhand der Berechnung der funktionsspezifischen Muskelhebelarme und der Muskellänge des SSC und TMI vor bzw. nach lateralisierter inverser Schulter-TEP. Dazu werden 3D-Modelle von den CT-Daten von 7 Patientenschultern erstellt und ausgewertet, die im Rahmen der prospektiven Erhebung operiert werden.

Ergebnisse:

Die berechneten Abduktionshebelarme für TMI und SSC nach lateralisierter inverser Schulter-TEP sind signifikant kleiner als vor der Operation und nehmen sogar negative Werte an. Beide Muskeln entwickeln dadurch eher ein Adduktionspotenzial und verlieren die Fähigkeit der Abduktion. Für die Rotationshebelarme von TMI und SSC zeigen sich keine Unterschiede. Die Rotationsfähigkeit bleibt postoperativ erhalten. Die Flexionshebelarme von TMI und SSC nehmen nach lateralisierter inverse Schulter-TEP bis 60° Abduktion signifikant zu. Für die oberen Segmente des SSC zeigt sich eine signifikante Zunahme der Muskellänge . Die Muskellänge des TMI hingegen bleibt unverändert . Im Rahmen der prospektiven randomisierten Studie wurden bisher 20 Patienten (ø Alter 75,6 Jahre, Range 66-85) operiert. Davon wurden 11 Patienten mittels einer BIO-RSA (ø Alter: 74,9 Jahre, Range 66-80) versorgt. Die Ø OP Zeit: konventionell/lateralisiert liegt bei 104,7 vs 104,5 min. Sechs Patienten haben bisher die minimale Follow-up Zeit von einem Jahr erreicht. Bei den post-operativ angefertigten CT-Aufnahmen dieser Patienten zeigte sich bisher keine Basisplattenlockerung oder Graftresorption.

Zusammenfassung:

Die biomechanischen Daten zeigen einen eindeutigen Vorteil der Lateralisierung des Drehzentrums durch eine Erhaltung der funktionsspezifischen Muskelhebelarme und der Muskellänge der verbliebenen Rotatorenmaschette. Auch in der in-vivo Situation sind die ersten Erfahrungen positiv. Das Verfahren der BIO-RSA ist ohne größeren operativen Zeitaufwand und bei einfacher Entnahme und Implantationstechnik des Knochenblocks gut möglich. Die radiologischen Daten zeigen bisher eine gute Integration des Knochenspans. Die kontrollierten Daten zur klinischen Funktionsverbesserung und die histologische Auswertung der Muskelbiopsien stehen noch aus.

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